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Einfluss der Zahl der Geburten auf die Höhe zukünftiger Renten: Brauchen wir hohe Geburtenraten, um im Alter ausreichend versorgt werden zu können?

Dass eine zukünftige Altersversorgung nach heutigem Kenntnisstand ohne eine nachfolgende Generation nicht machbar sein wird, soll hier nicht in Zweifel gezogen werden. Doch was ist dran an folgenden Behauptungen, die Politiker, Arbeitgeberverbände und nicht zuletzt die Medien Tag für Tag verbreiten?

1. Aufgrund der geringen Geburtenrate, der gestiegenen Lebenserwartung und der daraus resultierenden "Überalterung" der Bevölkerung wird eine Altersversorgung in der bisherigen Höhe in Zukunft nicht mehr realisierbar ("bezahlbar") sein.

2. Wir werden alle wieder mehr arbeiten müssen.

3. Da folglich der "Generationenvertrag" kein ausreichendes Rentenniveau mehr gewährleisten kann, muss in immer größerem Umfang zusätzlich (durch Privatversicherung, Aktienanlagen etc.) privat vorgesorgt werden.

4. Die Deutschen müssen wieder vermehrt für Nachwuchs sorgen, um ihre Altersversorgung nicht zu gefährden bzw. auf dem heutigen Niveau zu halten.

Tatsächlich läuft die Frage, ob eine Versorgung des nicht am Erwerbsleben beteiligten Bevölkerungsanteils auf hohem Niveau möglich ist, zunächst einmal darauf hinaus, ob die verfügbare Arbeitskraft der vorhandenen Erwerbstätigen dazu ausreicht. Bei abnehmendem Anteil von Erwerbstätigen müssen, um das heutige Versorgungsniveau für Alle aufrecht zu erhalten, vorhandene Reserven mobilisiert werden. Als Reserven wären denkbar:
  • Einige Millionen Arbeitslose, die gern wieder etwas zum BIP beitragen würden,
  • Erhöhung der Produktivität pro Erwerbstätigem durch technischen Fortschritt,
  • Erhöhung der Produktivität pro Erwerbstätigem durch Abbau von Verwaltungsstellen, um offene Arbeitsstellen im Produktionsbereich besetzen zu können ("schlankere" Verwaltung).

Nur dann, wenn diese Maßnahmen irgendwann in Zukunft nicht mehr ausreichen sollten, könnte zusätzlich die allgemeine Arbeitszeit verlängert werden.

Zur "Bezahlbarkeit" des Ganzen: Wenn sich die Produktivität der Erwerbstätigen, wodurch auch immer, erhöht, dann kann man ihnen, ohne volkswirtschaftliche Nachteile dadurch befürchten zu müssen, auch entsprechend höhere Löhne zahlen. Damit sind die Erwerbstätigen wiederum in der Lage, entsprechend höhere Beiträge an die Rentenkasse zu zahlen, ohne dafür auf ihren gewohnten Lebensstandard verzichten zu müssen oder längere Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen. (Dies gilt freilich nur, so lange nicht allzu raffgierige Unternehmen bzw. deren Manager den größten Teil der Produktivitätssteigerung zu ihrer eigenen Bereicherung abzweigen. Insofern dürfen Unternehmen und Unternehmer als potenzielle Problemquellen bei der Rentenfinanzierung nicht außer Acht gelassen werden.)

Was tut in diesem Zusammenhang die Politik für unsere Zukunft?

  • Investiert sie massiv in die Ausbildung der kommenden Generation, damit eine hohe Produktivität unserer zukünftigen Erwerbstätigen gewährleistet ist und stets genügend hoch qualifizierte Arbeitskräfte für die immer anspruchsvolleren Tätigkeiten einer immer technikorientierteren Zukunft zur Verfügung stehen?

  • Befreit sie uns durch einfachere und weniger werdende Gesetze und Verordnungen von überflüssigen Tätigkeiten?

  • Gewährleistet sie durch wohl durchdachte Arbeitszeitenregelungen, dass jeder, der Arbeit sucht, auch Arbeit findet und das zu einem angemessenen Lohn?

  • Werden die Verwaltungen tatsächlich in erheblichem Umfang rationalisiert?

Jedenfalls wird derzeit, begleitet durch äußerst fragwürdige Behauptungen und Änderungsvorschläge, der Generationenvertrag und andere auf dem Solidaritätsprinzip beruhende Leistungen Stück für Stück demontiert.

Die Verbreitung groben Unfugs müssen sich diejenigen vorwerfen lassen, die eine (teilweise) Abkehr vom "nicht mehr zeitgemäßen" Generationenvertrag fordern und dafür plädieren, statt dessen vermehrt auf Geldanlagen zu setzen. Dabei vergessen diese "Experten" jedoch, oder verschweigen es womöglich gar wissentlich, dass jedwede Art von langfristiger Geldanlage nichts Anderes ist als ein Generationenvertrag! Denn wenn es später wegen Arbeitskräftemangels zu einer Verknappung an Gütern kommen sollte, würde durch die dann unvermeidlich steigenden Preise jede Geldanlage zum Teil wieder entwertet, was den gleichen Effekt hätte wie stetig sinkende Renten auf Grund von immer weniger Einzahlungen in die Rentenkasse. Wer nun glaubt, er könne dann ja wenigstens auf Aktien setzen, um mit deren viel beschworenen hohen Renditen eine spätere Geldentwertung kompensieren zu können, wird voraussichtlich Schiffbruch erleiden. Aktienkurse steigen nämlich dann, wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot. Das war in der Vergangenheit im Großen und Ganzen deshalb der Fall, weil erheblich mehr Erwerbstätige sich Aktien für die Altersversorgung angeschafft haben als umgekehrt Rentner ihre Aktien zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts verkauft haben. Bei der prognostizierten Umkehr dieser Verhältnisse ist langfristig im Mittel eher mit fallenden Aktienkursen zu rechnen.

Als echte Alternative zum Generationenvertrag käme lediglich die Anschaffung sehr langlebiger Güter zur späteren Verwendung in Frage. Das Prinzip: Dinge, die man im Laufe seines zukünftigen Lebens noch benötigen wird, anzuschaffen, solange noch mit Sicherheit ausreichend Produktionskapazität besteht. Doch die Liste der hierfür in Frage kommenden Güter ist äußerst begrenzt. Noch Gebäude zu errichten, beispielsweise, ist nur insoweit sinnvoll als nicht in späteren Jahren auf Grund des zu erwartenden Bevölkerungsrückgangs Leerstände in größerem Umfang entstehen. Weitere langlebige Produkte wie Handtücher, Bettwäsche u. Dgl. spielen im Wirtschaftsgeschehen kaum eine Rolle. Autos, Computer und Waschmaschinen veralten rasch, Kleidung kommt aus der Mode und passt später oft auch gar nicht mehr.

Fazit: Zum Generationenvertrag gibt es keine realistische Alternative!

Infam ist es geradezu, wenn Arbeitgeberverbände und Politiker quer durch die bekannten Parteien mit Worten wie "Rentnerschwemme", "Vergreisung", "Überalterung" etc. die Angst der Bevölkerung schüren, um eigenen Interessen (billigere Arbeitskräfte etc.) den Weg zu ebnen. Mal angenommen, von heute auf morgen gäbe es plötzlich nur noch halb so viele Rentner: Das Ergebnis wäre eine Rezession, an die sich der Rest des Landes noch in 50 Jahren erinnern würde.

Und wie hilfreich wäre es, wenn die Deutschen, wie immer wieder vollmundig gefordert, wieder mehr für ihre Vermehrung täten?

Um eine Altersversorgung, in welcher Form auch immer, zu gewährleisten, kann eine Gesellschaft auf Kinder selbstverständlich nicht verzichten. Nichts Anderes haben wir ja oben mit der Feststellung, dass es keine ernst zu nehmende Alternative zum Generationenvertrag gibt, zum Ausdruck gebracht. Doch die Annahme, dass immer mehr Kinder zu immer mehr Wohlstand (nicht nur für Rentner) und wenige Kinder zu wenig Wohlstand führen, ist irrig. Denn nicht nur Rentner essen ihr Brot, ohne dafür zu arbeiten, Kinder tun es schließlich auch. Zwar muss das Großziehen eines Kindes keineswegs, wie häufig behauptet, eine halbe Million Euro kosten, doch die Arbeitskraft, die das Aufziehen eines Kindes in der Gesellschaft bindet, ist enorm: In seinen ersten Lebensjahren ist ein Kind auf ständige Pflege und Betreuung angewiesen, es folgen Schule und Ausbildung und schließlich will auch ein Kind schon Einiges vom Leben haben und nicht zuletzt auch ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen. Das alles gibt es genauso wenig zum Nulltarif wie Rentenzahlungen, Altenpflege und was zum Lebensabend sonst so dazu gehört.

Mit Hilfe einer Computersimulation sind wir der Sache einmal auf den Grund gegangen. Ausgangsbasis war die aktuelle Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland. Für verschiedene, über lange Zeit stabile Geburtenraten und eine gegebene Wochenarbeitszeit wurde berechnet, wie viele Arbeitsstunden, bezogen auf die Bevölkerungszahl, pro Jahr geleistet werden können. Von dieser Gesamtarbeitszeit wurden die unmittelbar an Kindern oder an Menschen im Ruhestand geleisteten Arbeitsstunden subtrahiert und die verbleibenden Arbeitsstunden, die im Prinzip für die Erzeugung notwendiger und begehrter Güter genutzt werden können, als Maß für den erzielbaren materiellen Wohlstand herangezogen.

Ab 0,8 Kinder pro Frau steigt der potenzielle Wohlstand mit zunehmender Kinderzahl zunächst steil an, flacht zwischen 1,2 (derzeitige Geburtenrate in D) und 1,6 zunehmend ab und steigt dann nur noch unwesentlich an. Ab ca. 3 fällt er sogar wieder mehr und mehr ab.

Die Berechnung berücksichtigt jedoch nicht den technischen Fortschritt und die damit einher gehende Produktivitätssteigerung. Wenn man diese mit einbezieht, wird die Abflachung der Kurve bereits bei geringeren Geburtenraten einsetzen, so dass bei der derzeitigen Geburtenrate von 1,2 das Optimum der Kurve schon einigermaßen erreicht sein dürfte.

Des Weiteren wurde untersucht, wie sich der potenzielle Wohlstand entwickelt, wenn die Geburtenrate über mehrere Jahrzehnte stetig von 3 auf 1,2 sinkt und dann konstant bei 1,2 verharrt. Dabei steigt zunächst mit sinkender Geburtenrate der potenzielle Wohlstand stetig an. Schließlich ist ein Zeitpunkt erreicht, an dem der Kinderanteil bereits stark vermindert, der Rentneranteil aber noch nicht merklich gestiegen ist. Dies entspricht genau unserer heutigen Situation. Da weder für die Kinder noch für die Rentner hohe Aufwendungen anfallen, ist der potenzielle Wohlstand zu dieser Zeit am größten. In den folgenden Jahrzehnten sinkt er zwangsläufig wieder um Einiges ab und stabilisiert sich dann auf einen konstanten Wert.

Was uns in den kommenden Jahrzehnten bevor steht, ist also keineswegs eine "Überalterungskatastrophe", sondern lediglich die unvermeidliche Rückkehr in einen stabilen (Normal-)Zustand.

Simulationen des weiteren Verlaufs mit einer gleich bleibenden Geburtenrate von 1,2 und mit unterschiedlich ansteigenden Geburtenraten ergaben, dass keine zukünftige Bevölkerungsentwicklung in der Lage ist, den Abfall des pot. Wohlstands in den kommenden Jahrzehnten zu verhindern. Das insgesamt beste Ergebnis wird erzielt, wenn die jetzige Geburtenrate von 1,2 beibehalten wird, da dies den geringst möglichen Abfall in den nächsten Jahrzehnten zur Folge hat. Eine (mäßige) Steigerung bringt demgegenüber auf lange Sicht nur ein unwesentlich besseres Ergebnis, dafür jedoch eine deutliche Verschlechterung für die kommenden Jahrzehnte, da hierdurch vorübergehend eine Situation geschaffen wird, in der sowohl der Kinder- als auch der Rentneranteil hoch sein wird (doppelte Belastung). Noch deutlich schlechtere bzw. unakzeptable Ergebnisse wären bei einer kräftigen Steigerung oder einer weiteren Verringerung der Geburtenrate zu erwarten.

Fazit: Die nach heutigem Wissen bestmögliche Bevölkerungspolitik in Deutschland zielt nicht auf eine Erhöhung, sondern auf eine Stabilisierung der Geburtenrate etwa beim heutigen Wert.

Übrigens:

In den unterentwickelten Ländern der Welt sieht es (leider) etwas anders aus. Da Kinder dort schon in jungen Jahren zum Familienunterhalt beitragen, also hart arbeiten müssen und meist nicht einmal zur Schule gehen, also nur vergleichsweise geringe Kosten verursachen, kann in diesen Ländern, anders als bei uns, eine hohe Geburtenrate tatsächlich wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem die immer rascher wachsende Bevölkerung an ihre natürlichen Grenzen stößt und dann aller Voraussicht nach mit Problemen ganz anderer Größenordnung konfrontiert wird.


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